Unser Weg zum DSpace-Dienstleister

Mit einigen Überlegungen zur Rolle von unbezahltem Engagement in Open-Source-Communities

Seit Kurzem ist effective WEBWORK ein Listed Service Provider für DSpace. Wir sind seit 2019 mit unseren ersten DSpace-Projekten unterwegs, und haben auf unserem Weg dorthin schon vielfältig von der Community profitiert - sei es durch Anwendertreffen, Webinare, Mailinglisten und mehr. Daher wird es für uns nun Zeit daran zu denken, wie wir der DSpace-Community nun etwas zurückgeben können, und die Teilnahme an dem Programm für Service-Provider ist ein erster Schritt in diese Richtung.

Unsere Firma ist in verschiedenen Open-Source-Communities aktiv – manche davon, wie die für CommSy, haben einige von uns mitbegründet oder von Anfang an begleitet, in anderen wie beispielsweise VuFind oder Kitodo sind wir seit Jahren aktive Mitglieder. Für uns heißt das vor allem, dass wir uns über einzelne Projektaufträge hinaus in die Entwicklung einbringen und eigenes Engagement dafür von vornherein mit kalkulieren. Darüber hinaus haben wir schon oft Infrastrukturen für Kollaboration und Kooperation bereitgestellt – seien es CommSy, Gitlab- oder Open Project-Installationen, Projekt- und Anwendertreffen ausgerichtet, Dokumentationen geschrieben und vieles andere mehr.

Jetzt haben wir uns also aufgemacht, um auf ähnliche Art und Weise auch zu der DSpace-Community beizutragen. Klar: Wir sind nicht die einzigen DSpace-Dienstleister am Markt, und andere verfügen über mehr Erfahrung mit dieser speziellen Lösung. Wir glauben aber durchaus, dass unsere allgemeinen Erfahrungen aus dem Feld der bibliothekarischen Software-Entwicklung uns zu guten DSpace-Dienstleistern machen, denn wir kennen uns mit Metadatenformaten und der Entwicklung von Workflows genauso aus wie mit den generellen Informationsarchitekturen, die ein Repository generell umgeben.

Was wir uns darüber hinaus auch sehr gut vorstellen können ist, mit den bereits etablierten Dienstleistern projektbezogen zu kollaborieren. Dass machen wir an anderer Stelle auch schon, wenn wir zum Beispiel zusammen mit Open Culture Consulting an dem neuen Katalog für das Deutsche Literaturarchiv in Marbach arbeiten oder mit Zeutschel an gemeinsam an Kitodo arbeiten. Der Aufbau von Repositorien und darüber hinaus gehend Tools für die Forschungsinformation- und Berichterstattung ist ein stark nachgefragtes und wahrscheinlich über Jahre wachsendes Feld mit viel Potenzial, und unsere Erfahrung aus anderen Open Source Communities zeigt, dass die Tools in der Regel von einer großen Vielfalt an Beteiligten in unterschiedlichen Kooperationsformen profitieren.

Allerdings spüren wir bei unserem Weg in Richtung DSpace auch, dass es nicht ganz einfach ist, als kommerzieller Dienstleister für Open Source-Tools in den Communities Fuß zu fassen – zumal als Newcomer. Für uns war es absolut neu, auf diesem Weg mit Andeutungen wie „Da wollt ihr euch in ein gemachtes Nest setzen“ konfrontiert zu werden. Ja, wir nehmen Geld dafür, dass wir eine Software, die wir nicht selbst entwickelt haben, bei Kunden implementieren und an dessen individuelle Bedarfe anpassen. Genau so wenig haben wir aber VuFind oder Kitodo ursprünglich selbst entwickelt- wohl aber über viele Jahre Beiträge dazu geleistet, oft unbezahlte. Bei DSpace machen wir keinen Hehl daraus, dass wir noch keine unbezahlte Arbeit geleistet haben. Aber man darf tatsächlich auch Dienstleister sein, ohne dies getan zu haben – genau das sieht das gestufte Modell der DSpace-Dachorganisation Lyrasis vor, in das sich die Dienstleister einordnen können, und in dem wir sehr freundlich empfangen wurden. Für uns gilt: Ohne klein anzufangen, werden wir es uns nicht leisten können, durch mindestens 6 Wochen unbezahlte Arbeit zum „Certified Service Partner“ aufsteigen zu können: Ein Henne-Ei-Problem also, das erschwert wird dadurch, dass man ohne Referenzprojekte keine Ausschreibungen gewinnen kann und eben Aussicht auf zukünftige Projekte ein ehrenamtliches Engagement schwer zu finanzieren ist.

Das Standing, das man in einer Open-Source-Community hat, scheint sehr direkt auch damit zusammenzuhängen, wie viel Zeit man in die Entwicklung investiert hat – und im Falle von kommerziellen Dienstleistern eben ehrenamtliche, also unbezahlte Zeit. Simon Barron und Andrew Preater diskutieren in ihrem sehr lesenswerten Artikel „Critical Systems Librarianship“ die Tatsache, dass Systembibliothekar*innen oft über Jahre unbezahlte Arbeit für proprietäre Systeme geleistet haben – die sich die Anbieter im späteren Verlauf haben vergüten lassen. Bibliotheken haben diese kommerziellen Anbieter damit also durchaus unterstützt – wenn auch wahrscheinlich unwillentlich.

Das hat sich geändert, denn vielerorts fließen Wissen und Engagement von Systembibliothekar*innen nun in Open Source-Entwicklungen, und das ist oftmals auch ganz offiziell Teil der Bibliotheksstrategie und sorgt für Ansehen (Stichwort Open Library Badge). Es ist jedoch in vielen Open Source Communities so, dass dieses Engagement allein nicht reicht, um die Produkte zur Einsatzreife zu bringen bzw. nachhaltig dort zu halten. Das prominenteste Beispiel dafür dürfte Folio sein, das, als es noch Kuali-OLE hieß, nicht recht aus den Startlöchern zu kommen schien und erst nach Neustart mit sehr großer Unterstützung eines kommerziellen Dienstleisters zu dem Hoffnungsträger-ILS wurde, das es heute ist. Aber auch DSpace bezahlt Entwicklungsarbeit, um entscheidende Schritte voranzukommen – und genau da sind die kommerziellen Dienstleister eben sehr hilfreich als Entwicklungspartner. Dass dort in der Regel dann auch Menschen arbeiten, die selbst lange in Bibliotheken tätig waren und teilweise schon fest in den einschlägigen Communities verankert sind, gehört ebenfalls zu den beachtenswerten Phänomenen des Bibliotheks-IT-Marktes.

Der kommerzielle Teil dieses Marktes ist in den vergangenen Jahren von Übernahmen und Fusionen geprägt gewesen – mit der Konsequenz, dass die entstandenen Riesenkonzerne nur noch extrem schwerfällig auf individuelle lokale Anpassungsbedarfe reagieren können. Das ist anders, wenn offene Lösungen genutzt werde, die Bibliotheken selbst oder mit Hilfe von kleineren Dienstleistern im selben Land und in der selben Sprache anpassen können. Wenn diese Dienstleister dann ihre Arbeit frei zur Nachnutzung bereitstellen, entstehen vielfältige und nachhaltige Lösungen und Bibliotheken behalten ihre strategisch wichtige Unabhängigkeit - von kleinen und großen Dienstleistern. Was für das Standing in einer bibliothekarischen Open-Source-Community also über die Bereitschaft zu ehrenamtlichen Engagement hinaus wichtig ist, ist das grundsätzliche Commitment zum Open Source-Gedanken und der Idee, Bibliotheken dabei zu unterstützen, ihre digitalen Dienste in größtmöglicher Selbstbestimmtheit zu entwickeln.

geschrieben von Anne Christensen

Anne Christensen hat Bibliotheks- und Informationswissenschaften studiert und über 20 Jahre Berufserfahrung als Bibliothekarin.
Profil von Anne Christensen

Weitere Infos

Barron, Simon and Preater, Andrew J. (2018):  Critical systems librarianship. In: The Politics of Theory and the Practice of Critical Librarianship. Library Juice Press, pp. 87-113.

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